Boxen macht Schule – Faustkampf beugt Gewalt vor: Das Projekt Boxschool Hamburg ist freitags in der Stadtteilschule Eidelstedt Von Redaktion Elbe Wochenblatt - 25. Juni 2019
Folke Havekost, Eidelstedt
Vor der Bewegung ist erstmal Sitzfleisch gefragt. Neun Kinder versammeln sich auf einer Bank in der
Turnhalle der Stadtteilschule Eidelstedt. Bald wird trainiert, jetzt wird erstmal geredet: Wie war die Woche? Wie läuft die Schule? Was war gut, was hat
genervt? „Wir unterstützen Kinder, die aus verschiedenen Gründen im Abseits stehen und Probleme im schulischen Tagesgeschäft haben“, erklärt Boxschool-Chef Olaf Jessen. Von verschüchtert bis aggressiv reicht die Bandbreite der Verhaltensweisen unter den Jung-Teenagern. „Das Training ist unser Zugang zu ihnen“, sagt Jessen: „Boxen ist spannend und es gibt Vorbilder.“ . Trainer Thomas Teige bittet nun zum Bewegungsunterricht: Was macht die Führhand, was die Schlaghand? Und er fragt in die Runde: „Was passiert mit euch, wenn ihr von etwas gestresst seid? Bei mir kribbelt’s in den Beinen, aber ich habe das mittlerweile in Griff.“ Kritischen Situationen auszuweichen wie Muhammad Ali der Rechten eines Gegners – auch darum geht es bei der Kombination aus Sport, Pädagogik und Sozialarbeit. „Wir wollen ein breit aufgestelltes Projekt“, sagt Lehrerin Susanne Keist und erklärt: „Ein Erzieher ist als Schnittstelle immer vor Ort.“ Insgesamt gibt Boxschool 38 Kurse an 32 Schulen, rund 800 Kinder lernen jährlich die Grundlagen des Boxens und damit einer Auseinandersetzung, die – anders als oft auf dem Schulhof – nach klaren Regeln verläuft. Wer dazwischenquatscht, läuft Strafrunden. Wer andere beleidigt, übt sich in Liegestützen. „Wir sind dafür da, euch etwas beizubringen, damit es keine Strafen mehr gibt“, sagt Trainer Teige. „Wenn ich Konflikte habe, muss ich nicht mehr zuschlagen“, bilanziert Schüler Jakub. Der Zwölfjährige boxt auch im SV Eidelstedt und hat inzwischen auch in Rostock gekämpft. „Hier kann ich über meine Probleme in der Schule sprechen und gemeinsam in einer Gruppe Sport machen“, sagt die 13-jährige |
Mina, die später „etwas mit Architektur“ machen will.
„Uns erzählen die Kinder recht offen von ihrem Stress“, berichtet Hans Ebeling, der gerade erklärt hat, warum es keine so gute Idee ist, auf dem Schulhof mit einer
Spielzeugpistole herumzufuchteln. Als Erzieher ist Ebeling die pädagogische Schnittstelle zwischen der Stadtteilschule und dem im Februar 2010 gegründeten
Boxschool-Verein.
Nach den Sommerferien werden neue Kinder den Kurs für mehr Selbstbewusstsein und Körpererfahrung belegen. Die Zukunft ist gesichert, auch dank einer 1.650-Euro-Spende der Stiftung „Allianz für Kinder“. „Ein Verein kann von Luft und Brot nicht leben“, sagt der Eidelstedter Allianz- Vertreter Arpad Sukola: „Hier lernen Kinder, was es heißt, ihre Wut und Frustration zu kanalisieren.“
Wenn Menschen in den Ballungszentren der Bundesrepublik aufeinander treffen, dann kommt es immer wieder zu Gewalt. In vielen sozialen Brennpunkten, aber auch mitten unter den Kindern der Oberschicht sind Übergriffe leider keine Seltenheit. In Hamburg hat sich vor einiger Zeit ein Team gebildet, welches diesen Problemen auf sportliche Weise einen friedlichen Kampf ansagt. Denn die Initiative „Boxschool“ versucht Kindern durch Boxtraining ein Ventil zu bieten, durch welches sie Druck und Frustration des Alltags ablassen können.
Am Donnerstag dem 27. Februar fanden sich rund 180 teilnehmende Kinder im Blockbräu an den Landungsbrücken ein, um gemeinsam die Jahresfeier von „Boxschool“ zu begehen. Auch viele Prominente Schirmherren haben sich eingefunden. Neben Profiboxer Jack Culcay und Kickbox-Star Dima Weimer sind auch die Hauptdarsteller des Rocky-Musicals mit von der Partie. Die Kinder und Jugendlichen wirken im Umgang mit den anwesenden Trainern äußerst locker. Es herrscht Vertrauen.
„Wir achten bei der Auswahl der Trainer sehr auf das Zwischenmenschliche. Sie müssen nicht nur etwas vom Sport verstehen, sondern auch in der Lage sein, als Vorbild zu dienen!“ erklärt der Pressesprecher des Projekts, Björn Jensen. Neben Culcay und Weimer sind bekannte Amateurboxer wie der Norddeutsche Meister Sebastiano LoZito oder DM-Teilnehmer Raymund Klose für die Organisation tätig.
Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Olaf Jessen (Foto oben), der als Besitzer und Cheftrainer des Hankook-Sportcenters selber ein erfolgreicher Coach ist. Gemeinsam mit Geschäftsführerin Antke Kreft bemüht sich Jessen darum, den Kindern eine sportliche Alternative dar zu bieten. Die Ergebnisse nach ca. 3 Jahren können sich bereits sehen lassen. „Wir haben natürlich noch keine Langzeitstudie über mehrere Jahre. Was aber da ist, sind die Rückmeldungen der Schulen, die tatsächlich aussagen, dass die Kinder ruhiger werden und das Projekt Wirkung zeigt!“, so Geschäftsführerin Kreft. Auch Olaf Jessen ist sichtlich zufrieden: „Die Kinder, die heute hier sind, haben sich in den vergangenen Monaten bewährt und fleißig trainiert!“
Um auf sozialer Ebene viel zu bewegen, kooperiert „Boxschool“ mit vielen weiteren Projekten der Kinder und Jugendhilfe. U.a. mit dem „Weißen Ring“, einer Organisation, welche für die Opfer von häuslicher Gewalt und verwandten Themen da ist. Schließlich steht die soziale Komponente im Vordergrund. Auch, wenn sich durchaus Talente finden, die dem Boxsport treu bleiben. „Ich hatte zwei Mädchen in der Gruppe, die ich an den SV Lurup vermittelt habe!“ berichtet Trainer LoZito (Foto Links). „Die hatten richtig Lust und wollten in einen Verein.“
Angeboten wird „Boxschool“ in verschiedenen Schulen, die sich nicht immer in den Problemvierteln befinden müssen. Auch andere Schulen, darunter mehrere Gymnasien, bekunden Interesse an dem Projekt.
Man darf gespannt sein, wie sich „Boxschool“ in Zukunft entwickelt. Geholfen ist vielen Kindern, die durch das Training Aggressionen abbauen, schon jetzt. Schließlich sollen die Fäuste nur im Ring und nicht im Alltag fliegen.
Seit einigen Jahren wird Boxen an Hamburgs Schulen immer wichtiger. Der Sport soll Kindern helfen, Ihre Agressionen nicht an Mitschülern auszulassen. Außerdem können sie beim Training ihr angeknackstes Selbstbewußtsein aufpolieren. Der Verein "Boxschool" berät Schulen und stellt Ihnen Boxtrainer zur Verfügung. Immer mehr Schulen entdecken dieses Projekt für sich.
Boxen als Mittel der Pädagogik. Boxschool will Werte wie Respekt, Willenskraft und Disziplin vermitteln.
Kinder, die durch Gewalt oder unsoziales Verhalten auffallen, können von ihren Lehrern für die Boxingschool vorgeschlagen werden.
Kinder, deren Eltern sich nicht kümmern, Alkohol- oder Drogenprobleme haben, oder die deutsche Sprache nicht gut sprechen. Bei Boxschool kennt man diese Schicksale. Deshalb sollen die Kinder hier
einmal die Woche Stress abbauen und Frust abladen.
An sieben Hamburger Schulen ist der Verein Boxschool schon tätig.
Zum Bericht geht es hier.
Hamburg. Sie gehen buchstäblich dahin, wo es wehtut. Sie kümmern sich um Schüler, an denen andere Pädagogen verzweifeln. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, etwas gegen die Gewalt an Hamburger Schulen zu tun. Und bringen den Jugendlichen deshalb das Boxen bei.
Boxschool heißt der Verein für Gewaltprävention, der zurzeit sieben Schulen in Hamburg in ihrem Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern unterstützt. Oft wenden sich die Schulen an die Beratungsstelle Gewaltprävention, wenn sie ihre Probleme nicht mehr allein lösen können. "Die Behörde kommt dann auf uns zu, und wir nehmen Kontakt zur Schule auf", sagt Olaf Jessen, Vorsitzender von Boxschool.
In einem Vorgespräch werden die Rahmenbedingungen festgelegt. Das Kollegium wird eingebunden, es gibt einen verlässlichen schulischen Ansprechpartner und regelmäßige Austauschgespräche. "Wir bieten Boxen im Wahlpflichtbereich und als Projektangebot für Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahren an, die Täter oder Opfer von Gewalt geworden sind", so Jessen.
14 Trainer arbeiten derzeit in dem sozialen Projekt, das mit dem Verein Gefangene helfen Jugendlichen und dem Weißen Ring kooperiert. Ganz wichtig ist dessen Landesvorsitzendem Wolfgang Sielaff die Qualifizierung der Boxtrainer. "Wir haben die Opferperspektive, und damit wollen wir die Trainer vertraut machen. Damit sie ein Gespür dafür bekommen, wie schmal der Grat zwischen Opfern und Tätern ist", sagt Sielaff. Die meisten jugendlichen Gewalttäter seien in ihrer Kindheit selbst Opfer gewesen. Durch die Kooperation wolle man helfen, "Kinder, die aus problematischen Familien kommen, darin zu unterstützen, einen geraden Weg zu gehen."
Dabei, den richtigen Weg einzuschlagen, helfen Menschen wie Panna Botis. Der Boxtrainer arbeitet mit Jugendlichen an einer Schule in Altona. "Viele haben nie Sport gemacht, haben kein Körpergefühl und keine Disziplin", sagt er. Und sie merkten sehr schnell, dass es beim Boxen nicht darum geht, "mal eben auf dem Schulhof einen umzuhauen", sondern dass man nur mit Disziplin, Fairness, Selbstkontrolle und dem Einhalten von Regeln weiterkommt. "Wichtig ist auch, dass sich die Schüler im Training auspowern können und dass sie die Konsequenzen ihres Verhaltens spüren", sagt Volkert Ruhe, Chef von Gefangene helfen Jugendlichen, der auch Gefängnisbesuche von Schülern organisiert.
Ehrenamtliche und Förderer unterstützen das Projekt. Sielaff wünscht sich, dass die Politik mehr auf Prävention setzt. "Wenn nur ein Schüler durch das Boxen wieder in die Spur findet, hat sich meine Arbeit gelohnt", sagt Thies Böttcher, Trainer an der Schule Luruper Hauptstraße. (haa)
Hamburg. Angestoßen wurde mit Kaffee und Wasser, der Anlass hätte jedoch eine größere Feier gerechtfertigt: Der Hamburger Verein Boxschool e. V. hat einen ersten Meilenstein in seiner noch jungen Geschichte gesetzt. Mit der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung mit der Opferhilfe-Vereinigung Weißer Ring konnte das zum Jahresbeginn neu gegründete Projekt seiner Arbeit eine wichtige gesellschaftliche Legitimation verleihen. "Wir sind froh, eine so renommierte Einrichtung wie den Weißen Ring von unserem Konzept überzeugt zu haben. Für uns ist das ein ganz wichtiger Schritt", sagte Olaf Jessen, Erster Vorsitzender von Boxschool.
Der Verein, der nach Meinungsverschiedenheiten zwischen Jessen und seinem ehemaligen Mitstreiter Christian Görisch aus dem Projekt Box-out hervorgegangen war, vermittelt Schülern im Alter von zehn bis 18 Jahren über regelmäßiges Boxtraining ein positives Sozialverhalten. Sein Ziel ist die Förderung der Aggressionsbewältigung an Schulen, der Opferempathie und der Gewaltprävention. Die Schulen Am Heidberg, Luruper Hauptstraße, Arnkielstraße, Stadtteilschule Geschwister Scholl, Stadtteilschule Altona und Othmarschener Kirchenweg nehmen an dem wissenschaftlich gestützten Projekt bereits teil. Bis Ende des Schuljahres hofft Jessen, 15 Partnerschulen unterstützen zu können.
"Boxschool vermittelt verhaltensauffälligen Schülern Werte wie Kameradschaft, Fairness, Achtung, Disziplin und Selbstkontrolle und fördert damit ein respektvolles Miteinander. Deshalb ist der Verein für uns ein wichtiger Kooperationspartner", sagte Wolfgang Sielaff, Vorsitzender des Landesverbands des Weißen Rings in Hamburg, dem besonders der Blick aus der Opferperspektive am Herzen liegt. "Das Hineindenken in die Opferrolle kann verhindern, dass Menschen zu Tätern werden", sagt er.
Mündliche Kooperationsvereinbarungen hat Boxschool zudem mit dem Landesinstitut für Gewaltprävention, in dessen Projekt "Cool in School" der Verein eingebunden ist, und der Einrichtung "Gefangene helfen Jugendlichen". Diese sollen in den kommenden Wochen schriftlich fixiert werden. Um die Erweiterung des Trainerstabs von derzeit fünf auf zwölf finanzieren und weitere 100 Paar Boxhandschuhe und anderes Material anschaffen zu können, ist Boxschool auf Sponsoren angewiesen. Interessierte finden im Internet ( www.boxschool.de ) Informationen. von Björn Jensen